18. September 2008, 10:33 Uhr
FINANZBEBEN
Notenbanken pumpen weltweit Geld in die Märkte
Geballte Aktion gegen die Finanzkrise: Um die nervösen Börsen zu beruhigen, wollen die Notenbanken weltweit frisches Geld zur Verfügung stellen. Der Dax rutschte dennoch zeitweise ins Minus - inzwischen steigt er wieder.
Frankfurt am Main - Die wichtigsten Notenbanken der Welt haben Maßnahmen angekündigt, um die Lage auf den internationalen Finanzmärkten zu entspannen. Wie es in einer von der Europäischen Zentralbank (EZB) verbreiteten Erklärung hieß, wollen die Bank of Canada, die Bank of England, die EZB, die US-Notenbank Fed, die Bank of Japan und die Schweizerische Nationalbank Geld in den Dollarmarkt pumpen, um die Liquidität der Finanzsysteme zu erhalten. Seit der Lehman-Brothers -Pleite von Anfang der Woche zögern immer mehr Banken, sich untereinander Geld zu leihen.
Aufgeregte Börsianer: Neue Geldspritze für das nervöse Finanzsystem
Die Frankfurter Börse reagierte auf die gemeinsame Aktion kurzzeitig mit Erleichterung. Der Leitindex Dax erholte sich in den ersten Handelsminuten um rund 0,3 Prozent auf 5880 Punkte. Danach tendierte der Dax dennoch zum Teil im Minus. Allianz - und Commerzbank -Papiere verloren zeitweilig über sechs Prozent.
Börsianer verwiesen auf Spekulationen, wonach die Übernahme der Dresdner Bank durch die Commerzbank vor dem Aus stehen könnte. Doch Allianz und Commerzbank schickten sofort Dementi über den Ticker: "Der Plan steht unverändert", sagte eine Allianz-Sprecherin der Finanznachrichtenagentur dpa-AFX. Auch ein Commerzbank-Sprecher sagte, die Übernahme werde "wie geplant" vollzogen. "Alle Vorbereitungen laufen." Die Gerüchte bezeichnete er als Unsinn.
Inzwischen liegt der Dax wieder leicht im Plus. Allianz- und Commerzbank-Papiere liegen weiter deutlich im Minus. Die europäischen Aktienmärkten verzeichnen am späten Vormittag fast durchweg leichte Kursgewinne. Der Stoxx50, der die Kurse der 50 größten europäischen Unternehmen zusammenfasst, stieg um rund ein Prozent.
Russische Hauptbörse bis Freitag geschlossen
Russlands Börse bleibt laut der Nachrichtenagentur Itar-Tass auch am heutigen Donnerstag geschlossen. Die Zwangspause solle erst am Freitag aufgehoben werden, kündigte Russlands Finanzminister Alexej Kudrin an. Der Handel an der RTS-Börse war am Mittwoch nach tagelangem Kursekollaps gestoppt worden. An der zweiten großen Börse des Landes, der MICEX, durften am Donnerstag nur Pensionsgeschäfte abgewickelt werden.
Präsident Dmitri Medwedew kündigte an, umgerechnet rund 15 Milliarden Euro zur Stabilisierung der Finanzmärkte bereitzustellen. Falls nötig, werde die Regierung weitere Schritte ergreifen. Die Behörden gingen außerdem gegen Spekulanten vor und verboten unter anderem auf unbestimmte Zeit Leerverkäufe, mit denen Händler auf fallende Kurse wetten.
Asiens Börsen weiter im Sinkflug
Zuvor waren an den asiatischen Börsenplätzen die Kurse am Donnerstag erneut gefallen - zum Teil um mehr als vier Prozent. In Tokio fiel der Nikkei auf den tiefsten Stand seit mehr als drei Jahren. Am Ende ging das Börsenbarometer mit einem Minus von 260 Punkten oder 2,22 Prozent bei 11.489 Punkten aus dem Markt. Auch in China rutschten die Börsenkurse erneut ab: Der Hang Seng in Hongkong brach um 847 Punkte oder 4,9 Prozent ein und notierte bei 16.805. Auch die Märkte in Südkorea und Australien meldeten deutliche Verluste.
Die asiatischen Börsen folgen damit New York, wo der Dow Jones am Mittwoch um 449 Punkte oder 4,06 Prozent auf 10.609 Zähler abgestürzt war. Die positiven Effekte der American-International-Group -Rettung durch die US-Notenbank waren binnen weniger Stunden verpufft.
In der Nacht zum Mittwoch hatte die Fed den Versicherungsriesen vor dem Kollaps bewahrt, gewährte AIG einen Kredit von bis zu 85 Milliarden Dollar und übernimmt im Gegenzug rund 80 Prozent der AIG-Aktien. Insider rechnen damit, dass er, um Verluste auszugleichen, zum Teil filetiert wird.
Finanzieren will die US-Regierung die jüngsten Finanzspritzen für AIG und die beiden Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac zum Teil durch zusätzliche Staatsanleihen. Das Finanzministerium in Washington kündigte am Mittwoch die Ausgabe von neuen Schuldtiteln in Höhe von 40 Milliarden Dollar an.
Insolvenzgericht segnet Lehman-Brothers-Verkauf ab
Der Verkauf der Konkurs gegangenen US-Investmentbank Lehman Brothers schreitet inzwischen voran: Das Insolvenzgericht in New York hat die vorläufige Erlaubnis zum Verkauf von Teilen des Unternehmens erteilt. Demnach kauft die britische Bank Barclays PLC Teile von Lehman für insgesamt 1,7 Milliarden Dollar. Die endgültige Zustimmung für die Transaktion soll am Freitag erfolgen, wenn bis dahin kein konkurrierendes Kaufangebot vorliegt.
Barclays will nach eigenen Angaben vom Dienstag die Bankgeschäfte von Lehman Brothers in Nordamerika für 250 Millionen Dollar übernehmen und den Hauptsitz der Investmentbank in New York und zwei Rechenzentren in New Jersey für 1,5 Milliarden Dollar erwerben. Lehman hatte am Montag Konkurs angemeldet.
Der Kollaps der US-Investmentbank Lehman Brothers hatte zu Wochenbeginn die Unruhe an den Finanzmärkten ausgelöst. Die Chefs von Lehman Brothers sollen Anfang Oktober vor einem Kongress-Ausschuss zu den Vorgängen in dem Geldinstitut aussagen. Bei der zweitägigen Anhörung werde es darum gehen, die "Fehler" und "Exzesse" bei Lehman Brothers aufzuklären, sagte der Abgeordnete Henry Waxman.
ssu/AFP/AP/dpa/ddp/Reuters
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